Digitale Transformation und neue Geschäftsmodelle im Firmenkundengeschäft

Rund 3,7 Mio. kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) gibt es in Deutschland. Zu 99,95 Prozent stellen sie den gesamten Unternehmensbestand in Deutschland dar und sind eine tragende Säule der Wirtschaftsleistung. Ihre Beziehung zu Banken ist traditionell und durch eine hohe Kundenbindung geprägt. Das gilt insbesondere für komplexe Finanzdienstleistungen. So vertrauen etwa 93 Prozent aller Unternehmen ihrer Hausbank als Primärinstitut, mit langjährigen Beziehungen. Entsprechend sucht der Mittelstand bei Finanzfragen eine intensive Nähe zu seiner Bank und erwartet gleichzeitig eine angemessene Unterstützung als Finanzintermediär – sowohl analog als auch digital.

Dabei geht es nicht allein um die Kondition der Finanzdienstleistungen. Das klassische Banking hat für den Mittelstand in ökonomisch stabilen Situation in Verbindung mit der Niedrigzinsphase kaum Relevanz. Zinskosten machen lediglich ca. 1 Prozent der Gesamtausgaben deutscher Unternehmen aus. Vielmehr werden Innovation und Unternehmenswachstum sowie die Umsetzung der digitalen Transformation in Unternehmen als Kernherausforderungen beobachtet. Einhergehend damit drängt sich die Frage auf, welche Rollen Banken zukünftig einnehmen, um den neuen Anforderungen zu genügen.

Status Quo im Firmenkundengeschäft

Im Privatkundengeschäft haben Banken in den letzten Jahren einen immensen Wandel vollzogen und ihre Leistungen und Zugangswege gemäß den Zeichen der Zeit angepasst. Im Firmenkundengeschäft beobachtet man jedoch eine zunehmende Diskrepanz zwischen den Anforderungen der KMU und den Angeboten von Banken.  So scheinen sie sich in der digitalen Welt nur wenig zu berühren, was sich durch unzureichende digitale Angebote und innovative Bankdienstleistungen für die Zielgruppe bemerkbar macht. Ob im digitalen Onboarding von Firmenkunden, die elektronische Verfügbarkeit von Formularen oder die digitale Abwicklung der Antragstellung für Firmenkundenprodukte – die Palette an zu beanstandenden Themen ist breit. Im Detail lassen sich bspw. aus einer repräsentativen Umfrage mit 300 europäischen Banken folgende Beobachtungen festhalten (Quelle: Vanson Bourne, 2018):

  • 67% haben schon einmal eine digitale Anmeldung vorzeitig abgebrochen
  • 33% konnten am Ende des digitalen Prozesses keine elektronische Unterschrift leisten
  • 89% der KMU müssen Informationen mehrmals im Anmeldeprozess eingeben
  • Nur 38% können Unterlagen elektronisch einreichen
  • 65% haben Probleme bei der Nutzung der Banking-Produkte mit Smartphone und Tablet
  • 34% würden Beschwerden einlegen, wenn kein ausreichendes digitales Angebot zur Verfügung steht
  • 10% würden ihre Bank sogar wechseln

Die Herausforderungen im Firmenkundengeschäft

Die Ansprüche von KMU an das Banking verändern sich zunehmend. Dabei wachsen auch die Anforderungen an Banken im Allgemeinen – haben sie in der Vergangenheit lediglich in Finanzfragen als Ansprechpartner fungiert, werden sie in Zukunft immer mehr die Rolle des „trusted advisor“ und „strategic enabler“ einnehmen müssen, um klare Nutzenvorteile zu bieten. Dabei werden sich auch die Kernanforderungen an Banken verändern:

  1. Tieferes Verständnis der Banken für das KMU Geschäft: Banken müssen Firmenkunden und ihre Geschäftsmodelle verstehen und sie bei der erfolgreichen Entwicklung ihrer Wachstumsstrategie unterstützen. Dabei dürfen sie sich nicht nur auf das Angebot von klassischen, substituierbaren Finanzdienstleistungen fokussieren. Für die erforderliche digitale Transformation suchen Unternehmen zunehmend strategische Realisierungspartner – sogenannte trusted advisor –die ihre Innovations- und Wachstumsstrategie gezielt fördern.

     Zentrale Fragen: Wie können Banken die strategischen Herausforderungen der KMU in Bezug auf digitale Transformation und Wachstum unterstützen? Welche Bankdienstleistungen können über das klassische analoge Banking hinausgehend Mehrwerte anbieten? 

    Mögliche Ansätze: Open Banking, Distributed Ledger Technologien (DLT – Blockchain, Smart Contracts, etc.), plattformgestützte Geschäftsmodelle und digitale Ökosysteme, API Management & Microservices.

  2. Vernetzung der Wertschöpfungsaktivitäten: Unternehmen vernetzen sich zunehmend entlang der Wertschöpfungskette und erwarten von ihren Banken eine aktive Rolle als Plattform- und Vernetzungsexperten, die den reibungslosen monetären und finanztechnischen Prozess sicherstellen. Die Rolle der Banken als „Matchmaker“ kann dabei als treibende Kraft die Entstehung von digitalen Marktplätzen und Ökosystemen fördern.

     Zentrale Fragen: Wie können Banken über eine engere Vernetzung der Wertschöpfungsaktivitäten der KMU Mehrwerte durch Abbildung von adäquaten Finanzdienstleistungen schaffen? Welche Rolle spielen Banken bei der Vernetzung der einzelnen Akteure? Wie können digitale Wachstums- und Innovationsstrategien von KMU finanztechnisch abgebildet werden?

     Mögliche Ansätze: Entwicklung und Angebot digitaler Plattformen für KMU, Schaffung von digitalen Ökosystemen für Intermediation und Transaktion, Aufbau und Sicherstellung von regulatorischen und datenschutztechnischen Mechanismen, Open Banking & Open Industry

  3. Transformation der analogen Welt in digitale Lösungen: Die Umsetzung der digitalen Transformation ist eine konkrete Herausforderung für KMU, deren Meisterung in den nächsten Jahren eine zentrale Priorität sein wird. Die reibungslose Abwicklung analoger Verfahren und ihre Abbildung in der digitalen Welt muss sichergestellt werden. Bestehende Prozesse, Systeme und Zugangswege zu Finanzdienstleistern müssen den Transfer in eine digitale Welt gewährleisten, um den strukturellen Wandel der KMU zu begleiten.

     Zentrale Fragen: Wie können analoge Prozesse in der digitalen Welt abgebildet werden? Wie können klassische Workflows wie Zahlungsverkehr, Onboarding, Antragsstellung, etc. ohne Brüche in den Medien und hohen Transaktionskosten effizient und ressourcenschonend digital umgesetzt werden?

     Mögliche Ansätze: KYC auf Basis DLT Technologien, Business Finance Management, Smart Contracts auf Basis DLT, etc.

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Neue Wege führen nach Rom

Auch wenn die Kundenbindung zwischen KMU und Banken traditionell hoch ist, steigen die Ansprüche an digitale und innovative Finanzdienstleistungen rapide. Als Folge ziehen immer mehr KMU auch Alternativen zu ihrer traditionellen Hausbank in Betracht. Zahlreiche Fintech-Plattformen wie Fincompare, Auxmoney, we.Trade oder sogenannte Challenger-Banken wie Penta bieten inzwischen gezielt digitale Finanzdienstleistungen für KMU an, um das steigende Bedürfnis nach dynamischen Lösungen zu decken. Auch die großen Giganten wie Amazon und Co. wittern großes Potential im Firmenkundengschäft und erhöhen den Konkurrenzdruck – so möchte Amazon bspw. in UK, USA und Japan die starke Plattform-Beziehung zu seinen Händlern durch Angebot von Amazon-Lending erweitern. Trotz hoher Kundenloyalität kann sich in wenigen Jahren eine völlig neue Marktverteilung auftun, wenn die Nutzenvorteile der neuen Player überwiegen.

Die Dynamik beschränkt sich nicht nur auf digitale Finanzprodukte und -dienstleistungen, auch im Bereich der Geschäftsmodellinnovationen auf Basis digitaler Ökosysteme passiert einiges. So hört man in den letzten Jahren immer öfter den Begriff des Beyond Banking als neue strategische Richtung.  Das Phänomen beschreibt ein neuen Innovationstrend im Firmenkundengeschäft, das weit über das klassische Angebot von Finanzdienstleistungen der Banken hinausgeht und durch Etablierung von plattformgestützten Geschäftsmodellen die Rolle der Banken als Finanzintermediär um die eines Plattformintermediärs erweitert. Noch steckt diese Idee für viele Banken in Kinderschuhen. Dabei gibt es bereits heute erfolgsversprechende Ansätze, um klassische Geschäftsmodelle der Banken um plattformgestützte Modelle à la Uber, Airbn und Amazon zu innovieren.

Summary

Banken müssen reagieren und ihre Rolle als Finanzintermediär für KMU neu definieren. In einer Welt die durch hohe Volatiltität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit definert ist, werden die Fähigkeiten zur Vernetzung, Offenheit, Partnerschaft und Agilität einen hohen Stellenwert genießen. Schaffen es Banken diese Transformation gemeinsam mit KMU zu stemmen, werden zukunftsfähige Geschäftsmodelle nach den Regeln der Digitalisierung realistisch. Fehlen digitale Infrastrukturen und innovative Strategien, so können die Folgen gravierend sein. Mit unterschiedlichen und umfassenden Lösungsansätzen entwickelt GFT gemeinsam mit Ihnen innovative Lösungen um zukunftsfähige Geschäftsmodelle für Banken zu etablieren.

Besuchen Sie auch unserer Website und Blogs für ausführliche Informationen rund um die GFT Angebote zu den Themen KYC, Open Banking, Digitale Ökosysteme und Distributed Ledger Technologien (DLT).

 

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