Staat, Startups und Technologiepolitik – Öffentliche Aufträge als Turbolader

Es ist nicht nur die vielgepriesene Kombination von Unternehmertum und Wagniskapital, die in den USA viele junge Tech-Unternehmen zu bedeutenden Playern und technologischen Vorreitern gemacht hat. Eine entscheidende Rolle dabei spielt auch der Staat, der als öffentlicher Auftraggeber als Gütesiegel dient, für Investitionssicherheit sowie lukrative Aufträge sorgt und so auch seinen eigenen Interessen Rechnung trägt.

In Tolkiens Welt ist ein Palantir an einem bewachten Ort in Mittelerde untergebracht, wo er ganz im Verborgenen als „sehender Stein“ seinem Besitzer wertvolle Informationen über räumlich oder zeitlich entfernte Geschehnisse liefert. In der digitalen Welt ist Palantir ein junges Tech-Unternehmen mit Sitz im Silicon Valley, das mit Big-Data-Analysesoftware für Geheimdienste und Militär groß geworden ist.

So groß, dass es heute zu den wertvollsten Startups der Welt zählt.

Nach Angaben des Wall Street Journal rangiert Palantir auf der Rangliste der Unicorns, sprich der größten durch Venture Capital (VC) finanzierten Unternehmen auf dem vierten Platz – vor beispielsweise Snapchat oder SpaceX und nur nach dem Taxi-Dienst Uber, dem chinesischen Smartphone-Hersteller Xiaomi und dem Wohnungsvermittler AirBnB.

Unbekannter Riese Palantir

Dennoch ist Palantir in der Öffentlichkeit kaum ein Begriff. Das 2004 gegründete „Cyber Intelligence“-Unternehmen hält sich bedeckt. Bekanntheit schadet in diesem Geschäft, das mit der CIA begann.

Der US-Geheimdienst hatte bereits vor 9/11 eine eigene Risikokapital-Firma namens In-Q-Tel gegründet. Mittlerweile hat In-Q-Tel rund 100 IT-Startups hochgepäppelt – mit dem Ziel, schnell an neue Technologien heranzukommen, die der nationalen Sicherheit und Verteidigung dienlich sind. Palantir ist mit mehr als 3.000 Mitarbeitern das erfolgreichste Unternehmen dieser Gruppe. Längst kommt in nahezu jeder der für die Sicherheit zuständigen US-Behörden Palantir-Software zum Einsatz, wie 2015 durch ein Leak an den Insider-Blog Techcrunch publik wurde – neben der CIA auch bei der NSA, dem FBI, dem Department of Homeland Security, der Luftwaffe oder den Marines.

Regierungsaufträge pushen US-Startups

Das vom VC und Tech-Unternehmer Peter Thiel mitgegründete Palantir ist kein Einzelfall. Schon seit Jahrzehnten werden in den USA und Israel aufstrebende Technolgieunternehmen durch öffentliche Aufträge gestützt. Dies insbesondere in den hochsensiblen Security- und Analytics-Sektoren. Ebenso wird öffentliches Geld durch Aufträge zum Beispiel in die Bereiche Biotech, Enterprise Computing sowie Robotik oder digitale Bildungsprogramme gepumpt.

Zahlreiche erfolgreiche Computer-Unternehmen der 80er und 90er Jahre wie Sun Microsystems, Digital Equipment oder Silicon Graphics hatten ihren wirtschaftlichen Erfolg ganz wesentlich dem intensiven Engagement staatlicher Auftraggeber aus dem Militär oder der Raumfahrt zu verdanken. Software-Unternehmen wie Oracle und Sybase konnten ihren kometenhaften Aufstieg wiederum auf dem umfangreichen Einsatz im öffentlichen Bereich der US-Administration aufbauen. Und nicht zuletzt sind es IT-Service- und Beratungsunternehmen wie Perot Systems, CSC und Booz Allen, die – wie aus den Snowden Unterlagen zu entnehmen ist – erheblich zum Erfolg der US-amerikanischen Nachrichten- und Sicherheitsdienste beigetragen haben.

Besonders viel investierten staatliche Stellen im „Transportation“-Bereich: Laut Crunchbase landeten 2013 von insgesamt 1,1 Milliarden US-Dollar aus Verträgen mit Tech-Startups ganze 56 Prozent bei jungen Transport-Unternehmen – vor allem im Bereich Luft- und Raumfahrt. Hauptnutznießer dieser Aufträge: Space X.

Das Startup des umtriebigen Tesla-Gründers Elon Musk soll seit 2008 mehr als 1,3 Milliarden US-Dollar aus öffentlichen US-Kassen bekommen haben. Es befördert nicht nur regelmäßig kommerzielle Nutzlasten ins All, sondern konnte Verträge mit der NASA abschließen und sich als wichtiger Partner für Versorgungstransporte zur ISS positionieren.

SpaceX hängt Big Shots ab

Auch an der bemannten Raumfahrt arbeitet SpaceX im Auftrag der US-Weltraumbehörde. In diesem Jahr erhielt das kalifornische Start-up zudem seinen ersten Auftrag vom US-Militär für einen Raketenstart. Das Unternehmen soll 2018 für die amerikanischen Luftwaffe einen GPS-Satelliten in den Orbit bringen. Bei der Ausschreibung des Projekts ließ SpaceX den einzigen Mitbewerber, die United Launch Alliance der Urgesteine Boeing und Lockheed Martin, blaß aussehen.

Die verstärkte Beauftragung privater Firmen in der Raumfahrt wird bereits seit 2010 durch die NASA vorangetrieben. Den Grundstein dazu legte die US-Weltraumpolitik mit dem „NASA Authorization Act of 2010“, der die bemannte Raumfahrt und insbesondere die Entwicklung neuer Systeme und Dienstleistungen für die Versorgung der internationalen Raumstation ISS unterstützt.

Hiervon konnte neben SpaceX etwa auch die von Amazon-CEO Jeff Bezos gegründete Firma Blue Origin profitieren und Entwicklungsaufträge an Land ziehen. Bis 2014 flossen im Rahmen des NASA-Programms von insgesamt 1,4 Milliarden US-Dollar an Blue Origin 25,7 Millionen, an SpaceX 515 Millionen. Grundsätzlich sind Raumfahrt-Newcomer auch für private Investoren sehr interessant geworden: Laut Zahlen der US-Beratungsfirma Tauri-Group sind alleine im Jahr 2015 1,8 Milliarden US-Dollar Venture-Capital in 22 Space-Startups geflossen.

Investitionssicherheit durch öffentliche Aufträge

Für Startups sind Verträge mit der Regierung ausgezeichnet. Denn entscheidend ist, dass die Behörden die Entwicklung nicht nur unmittelbar durch massive Investitionen unterstützen, sondern auch Ankerkunden für die neuen Technologien und Produkte sind.

Typischerweise werden langfristige Verträge geschlossen, die für Investitionssicherheit sorgen. Das zieht wiederum renommierte Risikokapitalgeber aus der Privatwirtschaft an – und der Kreis schließt sich. Zudem wirken Verträge mit der Regierung regelrecht als Turbolader, da sie als Gütesiegel gelten: Wer die strengen Sicherheitsprüfungen für öffentliche Ausschreibungen besteht, hat beste Referenzen, um sich Auftraggeber in der freien Wirtschaft zu sichern. Palantir zum Beispiel soll mittlerweile etwa die Hälfte des Umsatzes mit Aufträgen aus der nicht-öffentlichen Hand machen.

Auch der Staat profitiert

Die staatliche Auftragsvergabe zeigt sich am Beispiel der USA als effektives Instrument zur gezielten Förderung von jungen Tech-Unternehmen und der Entwicklung hochinnovativer Lösungen. Gerade im sicherheitsrelevanten Umfeld verschafft sie den staatlichen Sicherheitsorganen einen bedeutenden Vorsprung. Das Stichwort heißt technologische Souveränität. Als Exportschlager könnte sie auch für deutsche Sicherheitsinteressen und Werte stehen. Es geht um zukunftsfähige Lösungen für nachhaltiges Wirtschaften und umweltfreundliche Energie, um eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung, intelligente Mobilität und sichere Kommunikation, wie es in der Hightech-Strategie der Bundesregierung verankert ist.

Die öffentliche Hand ist gut beraten, junge Tech-Unternehmen in verstärktem Maß auch bei der staatlichen Auftragsvergabe direkt zu berücksichtigen. Schnell und pragmatisch kann so wichtiges Innovationspotenzial freigesetzt werden: Nach Untersuchungen von Crisp Research brauchen junge IT-Unternehmen im Durchschnitt gerade mal ein Drittel bis ein Viertel der Zeit für die Entwicklung eines Prototypen.

20 Mrd Euro ITK-Budget beim deutschen Staat

Und immerhin beträgt allein das Auftragsvolumen für ITK-Einkäufe des Staates regelmäßig rund 20 Milliarden Euro pro Jahr – damit gehören Bund, Land, Kommunen und öffentliche Träger wie Schulen oder Krankenhäuser zu den größten Auftraggebern in Deutschland.

Dass davon derzeit nur ein marginaler Teil an Startups fließt, lässt sich erahnen. Das Prozedere bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ist sehr komplex. Der Bitkom warnt schon seit längerer Zeit, dass es zu viele Hürden gibt und Startups in aller Regel nicht einmal die erste Stufe des Vergabeverfahrens überstehen. Fast immer fordern öffentliche Auftraggeber mehrere Jahre Erfahrung mit einer ausgeschriebenen Leistung bzw. Lösung. Auch an der Vorlage entsprechender Referenzen von anderen öffentlichen Auftraggebern und Mindestumsätzen im siebenstelligen Bereich scheitert das Gros der Newcomer.

Wo die Politik direkten Einfluss hat, muss mehr passieren! Hier sollten wir in Deutschland handeln und die Tore zu den Regierungsaufträgen für Tech-Startups weit öffnen. Im Interesse aller Beteiligten.

Comment Area

  1. Jonas07/06/2017

    So habe ich das Thema noch nicht gesehen. Hier scheinen die USA mal Vorreiter zu sein. Bei staatlichen Investitionen denke ich vor allem an große Bau- oder Infrastruktur Projekte. Der Ausbau von schnellem Breitband-Internet bildet dabei aber eine Ausnahme. Dieser ist aber ziemlich wichtig um bei der Digitalisierung mithalten zu können. Die Förderung von Start-Ups und IT Dienstleistern bzw. Unternehmen ist dabei besonders wichtig. Es wurde ja das Stichwort technologische Unabhängigkeit genannt. Diese ist notwendig um wettbewerbsfähig zu bleiben und auch den Mittelstand und KMUs zu stärken. Es gibt beispielsweise einige Anbieter moderner VoIP Anlagen und UCC Lösungen, wie z.B. pascom (https://www.pascom.net). Diese versorgen Mittelständler und KMUs mit modernen Kommunikationslösungen und eigenen Technologien. Hier spielen dann auch Start-Ups im Tech-Bereich eine Rolle die davon profitieren können oder auch zu neuen Entwicklungen beitragen, sei Soft-oder Hardware. Diese gilt es gezielt zu fördern und zu stärken um den technologischen Anschluss halten zu können.

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