Das Auto der Zukunft: Neue Möglichkeiten durch die digitale Bank

Seit Thomas Ericsson 1931 das erste Telefon erfand und IBM 1964 den ersten Universal-Großrechner, ist die Digitalisierung in Quantensprüngen fortgeschritten. Heute gibt es das Bakelit-Telefon nur noch als App auf dem Smartphone, die Rechenleistung von Computern hat sich exponentiell gesteigert. Und die Fantasie für immer neue Anwendungen treibt die Entwicklung weiter voran.

Das gilt auch für die Automobilbranche: 2013/14 stellte die Wochenzeitung „Die Zeit“ Studenten des Fachs Transportation Design an der Hochschule in Pforzheim vor die Aufgabe, auf der Basis von Fragebögen – ausgefüllt von Zeit-Lesern – das Auto der Zukunft zu entwickeln. Auch wenn die Ergebnisse – beispielsweise ein modulares Anhängersystem, oder ein Auto, dessen Oberschale abnehmbar ist und als Boot genutzt werden kann – noch sehr futuristisch anmuten: Die digitale Revolution hat im Automotive-Bereich Einzug gehalten und neuen Geschäftsmodellen den Weg geebnet.

Vier Stichworte bilden die Grundlage für Wertschöpfungsnetzwerke, die den klassischen alleinstehenden Industriebetrieb ablösen: Die gemeinsame Nutzung von Ressourcen (Share Economy), die immer weitergehende Vernetzung (Hyper Connectivity), das Internet der Dinge und Big Data. Gelingt es, ein solches Netzwerk aufzubauen und zu steuern, profitieren alle von einer Steigerung der Effizienz und von Synergieeffekten. Dann werden Daten nicht mehr nur innerhalb eines Unternehmens oder zwischen Unternehmen innerhalb des Netzwerkes ausgetauscht, sondern auch zwischen verschiedenen Netzwerken innerhalb eines Marktes.

Industrie 4.0 in der Automobilindustrie

Ein Beispiel für ein Netzwerk aus der Automobilindustrie: Neben dem Autohersteller selbst gehören dazu die Autozulieferer, Logistikunternehmen, weitere Zulieferer und die Bank. Der Automobilzulieferer liefert die fertigen Motorteile über ein Logistikunternehmen an den Autohersteller. Bezahlt wird nach Einbau des Aggregates, wobei Informationen und die Erstellung von Dokumenten (Rechnungen/Gutschriften) automatisch erfolgen. Die Bank wickelt die Zahlungen für alle Teilnehmer ab und übernimmt darüber hinaus umfangreiche Servicefunktionen.

Wie sehen diese Service konkret aus? Dazu muss man sich zunächst vor Augen führen, an welchen Stellen der Lieferkette Daten generiert werden: Zum Beispiel bei der Übergabe der Motorteile von Zulieferer A an Zulieferer B, bei der Lagerung dieser Teile und der anschließenden Lieferung an den Automobilhersteller. Dann bei der Montage der zugelieferten Motorteile und bei der Information an den Zulieferer über die Fertigstellung. Und am Ende bei der Erstellung und Buchung der Gutschrift, deren Übermittlung an die Bank und die Durchführung der Zahlungen durch die Bank.

Die Vernetzung – Industrie 4.0 und digitale Bank

Die Vernetzung von Industrie und Digitaler Bank ermöglicht den Austausch der Informationen und Daten aus dem jeweiligen System bei jedem dieser Prozessschritte. Falls finanzielle Engpässe auftreten, werden automatisch Bankprodukte vorgeschlagen oder es wird im Rahmen bestehender Linien sofort disponiert mit freigegebener Zahlung. Im Hintergrund können – ebenfalls automatisch – auf der Basis der Blockchain-Technologie Smart Contracts angelegt werden. Die Prozesse werden mit Risiko- und Liquiditätsmangementsystemen abgestimmt und auf Konformität mit den aktuellen Regulierungsbestimmungen geprüft.

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Erst nach dem Verkauf eines Fahrzeuges erfolgen die Gutschriften vom Automobilhersteller an den Hauptzulieferer und von diesem an die weiteren Zulieferer. Da entsprechende Informationen bereits während der Produktionskette an die Bank flossen, kann sie nun automatisch die entsprechenden Schritte zum Zahlungsverkehr in die Wege leiten.

Einige Beispiele aus der Praxis:

  • Pay-per-Use: Im Auto werden bestimmte Funktionen gegen Entgelt angeboten: Motorleistung, Klimaanlage etc. Der Fahrer bestellt, bezahlt und aktiviert diese selbständig. Die Dienstleistung der Bank ist also die Bereitstellung der Bezahlfunktion in Form von Mobile Payment.
  • 3D-Drucker: Ersatzteile oder Produkte, die nicht in Serie produziert werden, werden über 3D-Drucker hergestellt. Der Drucker gehört einem Dienstleister. Die Bank ist für die Finanzierung bzw. das Leasing zuständig.
  • Typenschild-Engine-ID: Jede Maschine hat eine eigene ID. Ersatzteile und Wartungsservice werden von der Maschine bestellt und bezahlt. Auch hier steuert die Bank die Finanzierungsdienstleistung bei.
  • Plattform „Service-Warehouse“: Der Kunde hat die Möglichkeit, über diese Plattform unterschiedliche Services zu nutzen. Diese gehen einher mit Finanzdienstleistungen durch Banken.

Nicht zuletzt PSD2, die Payment Service Directive, die 2018 in Kraft tritt und als Treiber der digitalen Revolution im Zahlungsverkehr gilt, hat zu einem Ausbau dieser Servicefunktion geführt. Denn indem sie die Banken zur Offenlegung ihrer Daten zwingt, öffnet sie den Markt für Drittanbieter und zwingt gleichzeitig die Banken dazu, ihre eigene Wettbewerbskraft zu stärken.

 

Alle Beiträge von unserem Experten Bernd-Josef Kohl finden Sie auf seiner Autorenseite.

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