Die dreifache Herausforderung für Banken durch SEPA

Mit dem 1. Februar 2014 rückt ein Termin näher, den Beobachter mit großer Spannung, Banken, Unternehmen und Aufsichtsbehörden hingegen mit gemischten Gefühlen erwarten: Der Start der Single Euro Payment Area (SEPA). Genau genommen darf man nicht vom Start sprechen, denn SEPA bzw. die SEPA-Instrumente existieren seit Jahren und könnten längst von den Unternehmen eingesetzt werden. Der 1. Februar 2014 ist deswegen ein besonderes Datum, weil ab diesem Tag laut Artikel 6 der SEPA-Verordnung nationale Altverfahren für den Massenzahlungsverkehr abgeschaltet werden müssen.

Dirk Elsner ist Banking-Experte für Finanzmarktregulierungen und verfasst Beiträge als Gastblogger auf dem GFT Blog. Foto:Sebastian Berger
Dirk Elsner ist Banking-Experte für Finanzmarktregulierungen und verfasst Beiträge als Gastblogger auf dem GFT Blog. Foto: Sebastian Berger

Die Herausforderung für Banken durch SEPA liegt darin, dass sie nicht nur selbst SEPA-fähig sein müssen, sondern dass auch ihre Kunden die Zahlungsverkehrstransaktionen entsprechend der SEPA-Anforderungen abliefern müssen. 

SEPA-Anforderungen, das bedeutet die Beachtung einer Fülle von Änderungen, die im Detail in ausführlichen Regelwerken niedergelegt sind. Die in der Öffentlichkeit bekanntesten Änderungen sind der Ersatz der traditionellen Kontonummer durch eine “International Bank Account Number” (IBAN) und der Bankleitzahl durch den “Business Identifier Code” (BIC), der übrigens für den deutschen Zahlungsverkehr ab dem 1.Februar 2014 wieder entfällt. Das beliebteste Zahlverfahren in Deutschland, das Lastschriftverfahren, erfährt umfangreiche Änderungen, die in Unternehmen weitreichende Anpassungen erfordern, wenn sie weiter Geld von Kunden einziehen wollen. Und: SEPA, das wird von einigen Unternehmen noch unterschätzt, führt neue Datenformate ein. Banken dürfen Zahlungsdateien künftig nicht mehr im DTA-Verfahren verarbeiten, sondern nur noch im SEPA-XML-Format.

Ich erspare mir hier die Detailänderungen; die habe ich an anderer Stelle ausführlich beschrieben (siehe dazu z.B. meine Beitragsreihe für die CFOWorld). Darüber hinaus gibt es viele erstklassige Gesamtdarstellungen und Übersichten, die ich auf dieser Übersichtseite meines Blogs zusammen gestellt habe.

Warum dreifache Herausforderung

Im Gegensatz zu vielen anderen staatlich vorgegebenen Projekten fordert SEPA die Banken von drei Seiten heraus:

  1. Kreditinstitute müssen ihre technische und organisatorische Infrastruktur so ausrichten, dass sie für ihre Kunden alle SEPA-Produkte im Sinne der gesetzlichen Vorgaben und der zwischen Banken geltenden SEPA-Rulebooks verarbeiten können.
  2. Banken haben die Zahlungsvorgänge für ihre eigenen Geschäfte ebenfalls auf SEPA umzustellen.
  3. Auch die Kunden der Banken müssen SEPA-fähig sein, damit sie künftig weiter mit Banken ihren Zahlungsverkehr abwickeln können.

Zu 1.: Zahlungsverkehrsinfrastruktur ist weitestgehend SEPA-ready

Banken haben schon vor Jahren große Projekte aufgesetzt, um die organisatorischen und technischen Anforderungen durch SEPA umzusetzen. Ihre Systeme müssen in der Lage sein, die neuen Datenformate zu empfangen, zu verarbeiten und weiterzuleiten. Zum Zahlungsverkehr und der Kontoführung gehört in den Finanzhäusern ein großer verzahnter Anwendungspark. Hier sind auf Basis der gesetzlichen und in den Rulebooks niedergelegten bankfachlichen Festlegungen entsprechende Konzeptionen zu erstellen, die Anwendungen und die Schnittstellen anzupassen. Mit umfangreichen Tests wird sichergestellt, dass alles so funktioniert, wie es soll. Die letzten Hausaufgaben bestehen derzeit darin, die Lastschriftverfahren COR1-fertig zu machen und sich auf “IBAN-only” vorzubereiten.

Nach meinem Eindruck sind die Banken sehr weit fortgeschritten. Die meisten Institute verarbeiten schon seit Jahren SEPA-Überweisungen und Lastschriften. Im Euroraum wurden nach Angaben der Bundesbank im Juni 47% der Überweisungen und 3,7% der Lastschriften nach den SEPA-Standards abgewickelt, in Deutschland waren es dagegen nur 8,7% bei Überweisungen und 0,1% bei Lastschriften. Das könnte freilich auch daran liegen, dass das gegenwärtige Zahlungsverkehrssystem in Deutschland als eines der besten der Welt gilt und insbesondere für den nationalen Zahlungsverkehr kein Anlass für einen vorzeitigen Wechsel gesehen wird. Insbesondere das neue SEPA-Lastschriftverfahren wird deutlich umständlicher als das in Deutschland gewohnte Verfahren. Die Vorteile von SEPA, insbesondere für den europäischen Zahlungsverkehr spielen dagegen selbst für eine so außenhandelsorientierte Volkswirtschaft wie Deutschland derzeit kaum eine Rolle.

Sofern es im Februar 2014 tatsächlich zu Problemen kommen sollte, wird dies mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht an der Technik der Banken selbst liegen. Die werden das SEPA-fähige Material verarbeiten können. Spannend wird allerdings, ob sie die dann erwarteten großen Mengen auch verarbeiten können.

zu 2.: SEPA-Readiness der eigenen Buchhaltung

Wie jedes Unternehmen müssen natürlich auch die Finanzhäuser die Zahlvorgänge für die eigenen Verträge umstellen. So sind etwa Kreditraten und Belastungen aus Wertpapiergeschäften, die per Lastschrift beglichen werden, ebenfalls auf SEPA anzupassen.  Entsprechende Mandatsverwaltungen müssen aufgebaut werden. Gehälter und die Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung sind anzupassen und vieles mehr. Hier haben einige Institute noch Hausaufgaben zu erledigen. Ich habe jedenfalls noch für keine einzige an Banken erteilte Einzugsermächtigung eine Änderungsmitteilung erhalten.

zu 3.: SEPA-Readiness der Kunden

Die SEPA-Fähigkeit der Kunden wird die größte Herausforderung sein. Diese können die Banken allerdings nur beschränkt beeinflussen. Seit Monaten trommeln Banken, Bundesbank, BaFin und Finanzministerium für die SEPA-Umstellung bei Unternehmen. Aus vielen Gesprächen mit Unternehmen weiß ich, dass sie in der großen Mehrheit die Umstellung auf SEPA als lästig und überflüssig ansehen. Die langfristigen Vorteile werden kaum erkannt. Unterschwellig liest man aus vielen Äußerungen (z.B. hier der Bundesbank) steigende Besorgnis. Zu wirklich deutlichen Warnungen konnte sich aber bisher keine bekannte Persönlichkeit aus Finanzwirtschaft, Aufsicht und Politik durchringen.

Deutlicher wurde Mitte August eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC. Darin schreiben die Autoren u.a., dass ein Viertel der befragten Betriebe mit der Umstellung noch nicht einmal begonnen hat (Stand Juni 2013). Sie erwarten einen holprigen Start. Drohende Anlaufprobleme werden möglicherweise, so die Autoren, “auch die Betriebe betreffen, die ihre Systeme rechtzeitig auf SEPA umgestellt haben. Diese könnten beispielsweise mit Liquiditätsproblemen konfrontiert sein, wenn Kunden, die die Anpassung zum Stichtag nicht bewerkstelligt haben, keine Banküberweisungen tätigen können.“ Die Hypo-Vereinsbank hält sogar Firmenpleiten in Deutschland wegen der schleppenden Umstellung für nicht ausgeschlossen.

Auch eine aktuelle Befragung von ibi research vermittelt keine Entspannung. “Die Ergebnisse machen deutlich”, so fasst die Wirtschaftswoche die Ergebnisse zusammen, “dass eine pünktliche Umsetzung in Deutschland in weite Ferne gerückt ist und dass aller Voraussicht nach tatsächlich Insolvenzen drohen, halten EU-Parlament und EU-Ministerrat daran fest, am Stichtag 1. Februar 2014 das in Deutschland bislang gültige Zahlungsverfahren namens DTA abzuschalten.”

Risikomanagement sollte aufpassen

Banken darf der Stand der Umstellung ihrer Kunden nicht egal sein, denn deren Risiken drohen auf sie zurückzufallen. Wenn der Zahlungsverkehr der Unternehmen stockt, dann hat dies Einfluss auf die Liquidität der Kunden und kann das Kreditrisiko erhöhen.

Frank-Oliver Wolf, Global Head Cash Management der Commerzbank, weist in einem Beitrag für die Bank zu Recht darauf hin, dass es nicht alle Unternehmen schaffen werden, sämtliche betroffenen ein- und ausgehenden Zahlungsströme fristgerecht auf SEPA umzustellen. Er empfiehlt daher, dass sich der Finanzdienstleistungssektor darauf vorbereiten sollten, “für einen Übergangszeitraum technische Services zur Verfügung zu stellen, die es Unternehmen ermöglichen, die SEPA-Zahlungsinstrumente zu nutzen, ohne dabei zunächst auf die SEPA-Formate umstellen zu müssen.”

Auch wenn die Grundidee von SEPA richtig erscheint, so halte ich es doch für ausgesprochen kritisch, staatlich verordnet so tiefe Einschnitte vorzuschreiben. Der kritische Punkt ist die erzwungene Abschaltung der Altverfahren am 1. Februar 2014. Sinnvoller wäre es gewesen, diesen Übergang fließender zu gestalten und etwa in Form einer die Altverfahren diskriminierenden Gebührenpolitik die Anreize für den Wechsel zu erhöhen.

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