Social Media Best Practice: Die Fidor Bank hält was sie verspricht!

In unserer aktuellen Studie „Einfluss von Social Media auf den Finanzsektor“ wird die Fidor Bank als Best Practice-Beispiel für Community Banking aufgeführt. Das hat mich neugierig gemacht: Wie sieht eine Bank aus, die auf Social Media-Wirkungsmechanismen aufgebaut ist? Matthias Kröner, Vorstandssprecher der Fidor Bank, hat mir die Gelegenheit gegeben, ihn in der Fidor-Zentrale in München persönlich danach zu fragen.

Janina Benz: Wie kommt man auf die Idee, eine Bank zu gründen?

Matthias Kröner - Vorstandsprecher der Fidor Bank
Matthias Kröner – Vorstandsprecher der Fidor Bank

Matthias Kröner: Mittlerweile zählen wir das fünfte Jahre nach der Krise und der Vertrauensverlust in das Bankensystem ist bei den Kunden eher größer als kleiner geworden. Kaum etwas hat sich verändert. Die Beziehung zwischen Bank und Kunden gleicht immer noch einem notwendigen Übel, nicht einer gewollten Beziehung.

Die Internetentwicklung hat uns gezeigt: Man kann neues Banking aufbauen. Die Krise hat uns gezeigt: Man muss neues Banking aufbauen!

Und durch unsere Erfahrung, schon einmal eine Bank aufgebaut zu haben, scheut man sich nicht, diesen Schritt zu gehen. Hört sich jetzt im Nachhinein natürlich etwas leichter und lapidarer an, als es tatsächlich war. Aber für uns war klar: Die Social Media-Mechanismen werden das Kundenverhalten maßgeblich verändern und auch Privatbanken werden diese Entwicklungen zu spüren bekommen. In diesen Veränderungen sahen wir großes Potential etwas Neues zu gestalten.

JB: Gegründet wurde die Fidor Bank in 2009. Wie beschafft man mitten in einer Wirtschaftskrise das Kapital für eine Bank?

MK: Wir hatten davor schon eine Firma gegründet, in der wir uns auf Business Development für innovative Finanzdienstleistungskonzepten spezialisiert haben. Deshalb mussten somit nicht von null beginnen. Wir sind mit dieser Firma in den Lizenzantrag gegangen und das war dann auch das Gründungskapital. In der Zwischenzeit haben wir vier institutionelle Shareholder hinzugewonnen, keiner davon kommt aus dem Bankenbereich. Wir haben unser Kapital hart erarbeitet, indem wir glaubwürdig folgende Business Parameter vermitteln konnten: Geschäftsmodell, Markt, Team und Skalierungspotenzial.

JB: Wie ist die konzeptionelle Idee entstanden?

MK: Viele diskutieren heute Filial- versus Internetbanking. Das ist mir völlig unverständlich. Als könnte ich über jeden Weg bzw. Kanal, dasselbe transportieren. Der Vorteil im Web ist ganz einfach, dass man durch Social Media Funktionalitäten an der Hand hat, die niemals in der Filiale umsetzbar wären. Wer die Annahme vertritt, dass es sich im Netz nicht um persönlichen Kontakt handelt, der hat das Thema nicht verstanden. Das kann nur jemand behaupten, der selbst nie im Netz ist und die Funktionalitäten nicht kennt.

Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern: Wenn ich in eine Filiale gehe und sage ich unterhalte mich nur mit einem Wertpapierberater, der in den vergangenen 18 Monaten eine Trefferquote von über 90% hatte, dann wird es mit Sicherheit totenstill sein. So etwas ist in einer Bankfiliale undenkbar, im Web allerdings machbar. Somit war klar: Wir sind eine Internetbank. Wer sich auf das Internet fokussiert, der muss sich auf die Mega-Treiber des Netzes ausrichten.

Web 2.0 bedeutet Interaktion, Transparenz und Integration. Diese drei Faktoren bilden ebenfalls die Definition für Vertrauen. Deswegen sind diese Wirkmechanismen fest in unserer Unternehmenskultur verankert, um das Vertrauen wieder herzustellen.

JB: Wird es in Zukunft nur noch modernes Banking geben?

MK: Dazu gibt es zwei Antworten. Als erstes ist hier anzumerken, dass Banken natürlich nicht darum herumkommen werden diese Entwicklungen zu berücksichtigen. Die Frage, ob sie das zeitnah schaffen werden, würde ich eher verneinen. Zweitens ist mir aber auch bewusst, dass es auch nicht nur modernes Banking geben wird. Ich wurde mal gefragt wie wir Offline-Kunden mit unserem Konzept überzeugen: „Gar nicht“. Keine Sekunde denke ich darüber nach. Wir sind definitiv keine Bank für alle Deutschen. Aber das müssen wir auch nicht sein und den Anspruch haben wir auch nicht.

JB: „Unser Geschäftsmodell basiert auf den Web 2.0 Grundprinzipien.“ Was genau bedeutet das und kann so etwas tatsächlich funktionieren?

MK: Natürlich wollen auch wir am Ende des Tages Geld verdienen. Doch viele verstehen einfach nicht, dass sich das Grundverhalten des Kunden verändert hat. Früher galt das Stufenmodell AIDA (Attraction, Interest, Desire, Action). Doch mittlerweile ist das überholt. Bevor der Kunde eine Entscheidung trifft, muss das Engagement stattfinden. Er will Informationen und Dialog. Hier ist ein Umdenken gefragt. Es ist nicht nur die Kommunikationsabteilung. Es muss von ganz oben kommen. Jede Ebene und jeder Mitarbeiter muss diesen Punkt verinnerlicht haben. Die Einstellung muss vom Vorstand und den Shareholdern gewollt und gelebt werden. Transparenz, Interaktion, Integration. Hier sind wir wieder beim Schlüssel: der Unternehmenskultur.

Web 2.0 muss wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur und der daraus abgeleiteten Strategie sein, nicht nur Absatzkanal.

Nette Anekdote dazu: Als ich einem osteuropäischen Partner erklärt habe, dass wir die einzige Bank sind, deren Produkte im Netz bewertet werden können. Meinte er nur: „oh, das kann aber gefährlich sein.“ Meine Antwort: Wenn sie Angst haben ihr Produkt im Netz bewerten zu lassen, dann haben sie das falsche Produkt!

JB: Ablehnung oder Nachahmung, welche Reaktionen gab es aus dem traditionellen Bankensektor?

MK: Momentan werde ich viel zu Diskussionsrunden eingeladen und man findet unser Geschäftsmodell „spannend“. Dennoch weiß ich genau, dass man sich hinter vorgehaltener Hand sehr kritisch darüber unterhält und man denkt, dass mit unserem Konzept kein Geld verdient werden kann. Aber das ist ganz normal. Erst wird es ignoriert, dann wird es schlecht geredet und dann wird es nachgemacht.

Aber es gibt mittlerweile schon Banken, die daran interessiert sind, unsere Technik als White Label-Lösung zu integrieren. Viele haben keine internen Kapazitäten, da ihre eigene Projekt-Pipeline voll ist. Mit einigen Partnern befinden wir uns in fortgeschrittenen Gesprächen. Um diesen Bereich weiter auszubauen, haben wir vor wenigen Tagen die Gründung der Tochtergesellschaft Fidor Tecs bekannt gegeben.

JB: Welche Zielgruppen werden mit dem neuen Geschäftsmodell abgedeckt?

MK: Die Zielgruppe sind unsere Business-to-Business Partner. Beispielweise Firmen oder Unternehmer aus der Finanzbranche, dem e-Commerce oder der Logistikbranche, welche sich für innovative, web-basierte Community-, Payment- oder Banking-Dienstleistungen als Franchise oder White Label-Lösung interessieren, um nur mal eine erste Indikation zu geben.

Like-Zins-O-Meter der Fidor Bank
Like-Zins-O-Meter der Fidor Bank

JB: Die Fidor Bank wurde mit einem Schlag durch die Einführung des „Like-Zins“ berühmt? Wie kam es dazu?

MK: Entstanden ist das ganze durch ein Missverständnis beim Mittagessen. Eine Mitarbeiterin hat Like-Zins, statt Leitzins verstanden. Zuerst haben wir uns nur amüsiert. Umso mehr Likes, desto höher der Zins, das schien unmöglich zu sein. Aber beim zweiten Überlegen fanden wir die Idee gar nicht so schlecht. Wir wollen Innovation leben, da sahen wir das Ganze als eine Herausforderung an: Nicht nur Reden, sondern tatsächlich den ersten kundengetrieben Zinssatz schaffen. Ich gab der Idee-gebenden Mitarbeiterin die Aufgabe, ein Konzept zu erstellen, wie das tatsächlich in der Praxis funktionieren könnte. Vier Monate später sind wir mit der Idee live gegangen.

JB: Welche Produkte bietet ihr an und was unterscheidet diese von gängigen Portfolios anderer Banken? 

Social Media-Wirkungsmechanismen als Eckpfeiler des Geschäftsmodells der Fidor Bank
Social Media-Wirkungsmechanismen als Eckpfeiler des Geschäftsmodells der Fidor Bank

MK: Wir haben vier Eckpfeiler, welche die Grundlage für unser marktorientiertes Portfolio bilden. Zum einen das Web 2.0, E-Commerce, Gaming und das Thema Mobile Internet. Die Web 2.0-Mechanismen sind notwendig um das verloren gegangene Vertrauen wieder herzustellen. Aus diesem Grund waren wir uns alle einig, dass wir eine Community anstatt einer Sales Force benötigen. Der heutige Kunde ist so ausgebildet, dass sie sich gegenseitig Tipps geben können, sich beraten und Produkte bewerten können. Ein sehr wichtiger Punkt. Viele Banken sind immer noch der Meinung, dass eine Finanzdienstleistung nicht zu bewerten ist. Wir sind die erste Bank, deren Produkte bewertet werden können.

Wenn sie Angst haben ihr Produkt im Netz bewerten zu lassen, dann haben sie das falsche Produkt!

Hinzukommen die Themen Gaming und E-Commerce. Wer in diesen Sparten aktiv ist, der muss das Thema E-Payment richtig verstanden haben um erfolgreich zu sein. Natürlich bieten wir auch klassische Überweisungen an. Wir denken aber darüber hinaus. Bei uns kann der Kunde auch seine Handynummer, E-Mailadresse und bald auch Twitternamen angeben. Und alles funktioniert natürlich in real-time, auch am Wochenende!

Als dritte Schnittmenge sprechen wir dann noch das klassische Banking an, aber modern aufbereitet. Ganz nach dem Motto: click und klar. Wir haben von Sparbriefen, Retail-Kreditangeboten, Fremdwährungen bis hin zu Edelmetallen alles im Angebot. Im innovativen Segment bieten wir Crowd-Finance, Peer-to-Peer Banking und auch die Möglichkeit der Abwicklung von „virtual currencies“.

JB: Welche Ziele und Herausforderungen sehen Sie für die FIDOR Bank für 2013?

MK: Nachdem wir nun das dritte Jahr operativ tätig sind, wollen wir 2013 den Break-even Punkt erreichen. Wir sind jetzt im ersten Monat des neuen Jahrs und wir haben in den vergangenen Monaten intensiv auf dieses Ziel hingearbeitet. Sie sehen mich sehr optimistisch diesen Meilenstein zeitnah zu erreichen. Der andere Fokus werden die potentiellen Partnerschaften bilden, welche wir uns jetzt erarbeitet haben sowie die erfolgreiche Umsetzung. Das sind die operativen Zielsetzungen. Auf der strategischen Ebene planen wir dieses Jahr noch weitere Shareholder aufzunehmen. Ein größeres Kapitalpolster ermöglicht uns beispielsweise die Internationalisierung schneller und unser Kreditgeschäft konsequent, aber risikoavers vorantreiben zu können.

 

 

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Finanzhäuser gleichen teils Technologiemuseen: Die digitale Transformation beginnt im Backend. Zu unserem neuesten Whitepaper:

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