Fachkräftemangel: Die IT-Branche wächst, doch gerade im Mittelstand fehlen die Freelancer

Während der Markt wächst, sieht er sich jedoch gleichzeitig mit einer entgegengesetzten Entwicklung konfrontiert. Die Nachfrage an IT-Freelancern ist höher als das vorhandene Angebot. Der BITKOM hat sich den Sachverhalt genauer angeschaut und in seiner aktuellen Pressemitteilung neue Zahlen veröffentlicht: Waren 2010 noch 28.000 Stellen verfügbar, wurden im Oktober 2011 schon 38.000 Freelancer gesucht. Der Mangel an verfügbaren Fachkräften steigt somit stetig an.

Sind theoretische Vorstellungen und tatsächliche Anforderungsprofile das Problem?

Freelancer werden gerne eingesetzt, wenn es gilt in ein Projekt spezielles Fachwissen einzubringen. Gesucht wird somit auf Expertenebene.
Alexander Meneikis vom 4freelance Blog stellt dazu eine sehr interessante die Hypothese auf und verweist darauf, dass Angebot und Nachfrage häufig nicht übereinstimmen: “[…] viele Freelancer wollen anspruchsvolle Projekte auf hoher Ebene bearbeiten und wollen strategisch beraten. Die Kundenunternehmen aber wollen Praktiker, die hands-on operativ im Projekt arbeiten. Strategie wird eher im eigenen Hause erarbeitet.“

Bestätigt sich dies in der Praxis? Wir haben hierzu André Dathe, Teamleiter Düsseldorf und Experte für IT-Staffing, befragt.

André Dathe - Teamleiter Düsseldorf (GFT Resource Management GmbH)
André Dathe – Teamleiter Düsseldorf (GFT Resource Management GmbH)

JB: André, du bist Tag täglich damit beschäftigt Anforderungsprofile mit potentiellen Kandidaten abzugleichen. Wie sieht es in der Praxis aus, stimmen Vorstellungen und Anforderungen überein?

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: Natürlich gibt es Kunden, die in einem Anforderungsprofil die sogenannte „Eierlegende Wollmilchsau“ definieren – mit so breit gefächerten Skills, die es in einer Person oftmals auf dem freien Markt nicht gibt. Hier helfen oftmals Gespräche mit der Fachseite, welche Skills ein „must have“ darstellen und welche ein „nice to have“. Dabei nähert man sich dem eigentlichen Schwerpunkt und fokussiert darauf die Recherche nach geeigneten Kandidaten.
Der oben genannten These kann ich nur bedingt zustimmen. Es gibt natürlich Berater, die in anspruchsvollen Projekten strategisch beraten möchten, dies ist jedoch nur eine Minderheit. Ein Entwickler programmiert, weil dies seine Passion ist. Dies praktiziert er natürlich präferiert in einer technisch sowie fachlich innovativen Umgebung, die ihn skilltechnisch weiter bringt.

Strategische Berater brauchen zudem entsprechende kommunikative Skills, um auf höchster Kundenebene überzeugen zu können. Das ist nicht jedermanns Sache.


JB
: Man konnte nun schon häufiger im Netz lesen, dass immer mehr Menschen von einem festen Anstellungsverhältnis in die Projektarbeit wechseln. Aber sind das auch genau die gesuchten Fachexperten?

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: Pauschal kann man diese Frage nicht beantworten. Der Weg in die Freiberuflichkeit ist Einstellungssache. Man braucht regionale Flexibilität, Risikobereitschaft sowie entsprechende Softskills. Viele Hochschulabsolventen sammeln erst einmal Praxiserfahrungen in einer Festanstellung, um dann den Weg in die Freiberuflichkeit zu gehen. Dann sollten Sie aber an sich selbst den Anspruch haben, den Kunden bestmöglich und engagiert zu unterstützen, denn dafür wurden sie eingekauft. Im Internet zu surfen oder nicht projektbezogene Dinge zu tun (und diese Zeit zu fakturieren) kommt bei Kunden nicht gut an.

JB
: Wird das langfristige Folgen für das Marktwachstum haben, wenn Unternehmen ihren Bedarf nicht decken können?

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: Meines Erachtens hat ein Expertenmangel sicherlich Folgen für das Marktwachstum.Freiberufler helfen, Spitzen abzudecken und ermöglichen unseren Kunden eine flexible Ressourcenplanung. Diese erfreuen sich derzeit einer sehr guten Auftragslage. Hier muss man je nach Skill auch auf internationaler / europäischer Ebene nach passenden Kandidaten suchen, um den Bedarf zu decken. Auf europäischer Ebene ist dies weitestgehend problemlos möglich.

JB
: Wo siehst du die Herausforderungen für Personalvermittler in den kommenden Jahren?

AD
: Die Herausforderung für Personalvermittler besteht in der Zukunft darin, auf einer Ebene mit dem Kunden zu kommunizieren, seine zukünftigen Herausforderungen zu kennen und ihn dahingehend zu beraten. Dies geht über die reine „Staffing Dienstleistung“ hinaus.

JB
: Vielen Dank für deine Zeit und die ausführliche Beantwortung unserer Fragen.

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: Sehr gerne!

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  1. Robert04/09/2014

    Toller Artikel! Um dem demografisch bedingten Rückgang der Erwerbsbevölkerung entgegenzuwirken, sind mehrere Lösungsansätze denkbar: Der frühere Eintritt in das Erwerbsleben, der spätere Austritt aus der Erwerbsphase, eine Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit sowie der Zuzug von ausländischen Arbeitskräften

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